In Zukunft werden sich Flugreisen durch Industrie 4.0 Umsetzungen stark verändern: Schon lange werden Daten entlang der „Customer Journey“ aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Quellen z.B. beim Buchen der Flüge im Internet, beim online Check-In, beim Baggage drop-off, beim Security Check, beim duty-free Shopping oder bei der Nutzung des Internets on-board generiert und gesammelt. Es ist ebenfalls bereits möglich, Social-Media Accounts mit den individuellen Flugdaten zu verlinken, um zu sehen ob Freunde und Bekannte ebenfalls on-board oder im Bereich des Flughafens sind. Weiterhin werden Passagierdaten von Vielflieger-Konten analysiert, während Flugzeugsensoren Performance-Daten aus allen Komponenten der Turbinen bis hin zum Kühlschrank an Bord sammeln.
All diese Daten werden in erster Linie in Silos innerhalb bestimmter Business Units, in denen die Daten unabhängig verwaltet und genutzt werden, um die Leistung innerhalb dieses Geschäftsbereiches zu verbessern, gesammelt. So werden auf der einen Seite beispielsweise technische Betriebsdaten aggregiert, um der Instandhaltung dabei zu helfen vorherzusagen, welche Probleme im Flugzeug auftreten können und um Lösungen für mögliche Probleme zu identifizieren, um Verspätungen oder Annullierungen zu vermeiden. Auf der anderen Seite sammeln die Marketingabteilung hauptsächlich Daten über Passagiere und Vielfliegerpräferenzen, um maßgeschneiderte Werbung und Angebote für bestimmte Kunden zu liefern. Diese Flut an Daten wird sich in der Zukunft weiter erhöhen.
An Flughäfen trifft man größtenteils auf eine sehr kaufkräftige und mobile Zielgruppe mit überdurchschnittlichem Einkommen. Wollen traditionelle Airlines weiter überleben, ist es unumgänglich, durch innovative Konzepte diese Potenziale zu monetarisieren und vorhandene Daten aus verschiedenen operationellen Bereichen zu korrelieren. Dies ermöglicht, in naher Zukunft online live mit Servicekräften zu sprechen, wenn Fragen zur Buchung auftreten oder es können individuelle Mahlzeiten und Getränke kurzfristig über die App der Airlines bestellt werden. Für traditionelle und neue Airlines ist diese Entwicklung eine große Herausforderung. „Legacy“ carrier haben oft eine sehr komplizierte IT-Struktur mit einer Fülle an verschiedenen Datenstrukturen, welche es schwierig macht, einen Startpunkt zu finden und um die Verknüpfbarkeit der Unmengen an Daten zu strukturieren. Kleineren, jüngeren Airlines fehlen oft die Fähigkeiten, die Vorteile dieser Daten angemessen zu verarbeiten. Meist mangelt es an den notwendigen Werkzeugen.
Diesbezüglich wurde innerhalb der letzten Jahre durch verschiedene Low Cost Carrier ein Konsolidierungsprozess in der individuellen Produktanpassung initiiert. Diese ermöglicht dem Endkunden, neue Dienstleistungen und Produkte zu seiner personalisierten Reise hinzuzufügen. Dazu gehört alles vom klassischen Hotel und Mietwagen, über weitere „Ancillaries“ (Zusätzliche Produkte z.B. mehr Beinfreiheit). Der durch die IATA angeregte neue NDC Standard (New Distribution Capability) soll der Reisebranche eine Transformation hin zur individuellen Produktanpassung ermöglichen und geht gezielt auf die derzeitigen Einschränkungen der Branche ein, in welcher Art und Weise Airline „Ancillaries“ an Unternehmen, Urlauber und Geschäftsreisende verkauft werden. Verbesserungen ergeben sich in der Produktdifferenzierung und Verfügbarkeit. Zusätzlich garantiert er den Endkunden ein voll transparentes Einkaufserlebnis entlang der „Customer Journey“. Weiterhin ermöglicht der NDC Standard eine genauere Segmentierung der individuellen Passagierdaten, womit die Airlines ihren Kunden genauer kennenlernen und so in der Lage sind, in Zukunft gezielt auf dessen Bedürfnisse ein zu gehen.
Traditionell waren Daten fragmentiert und wurden nur auf aggregierter Basis verwaltet und analysiert – ohne die Fähigkeit, ins Detail zu gehen. Allerdings gab es in den vergangenen fünf Jahren eine dramatische Weiterentwicklung in der Technologie für die Verwaltung und Speicherung von Daten, in denen der Zugang zu Informationen sowie die Zugriffsgeschwindigkeit sich deutlich verbessert haben.
Interessant wird es nun, wie Airlines und die Flughäfen es schaffen, diese Daten sinnvoll für sich und für den Kunden zu nutzen, um die ideale „Customer Journey“ zu entwickeln. Die Konkurrenz um die Nutzung der Daten steht dem Plattformgedanken im Wege, da Airlines, Flughäfen und Produzenten ihre Felder gleichermaßen als Insel betrachten und kaum nach integrierten Lösungen suchen. Verkompliziert wird diese Situation dadurch, dass neue Akteure wie Google auf den Plan treten. Intelligente Lösungen wie GoogleFlights, die eine sehr komfortable Buchung erlauben, bestehen bereits und nutzen die gewonnenen Daten umfangreich weiter. Durch die Konsolidierung von Flughafen und Airline Daten über die gesamten beteiligten Stakeholder und deren getrennter IT-Systeme könnten Fluggesellschaften u.a. ein besseres Slot Management und eine erhöhte Produktivität durch die Verbesserung der luft- und landseitigen operativen Koordinierung ihrer Flugzeuge erreichen. Im Falle von dritten Akteuren kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die gewonnenen Daten nicht wie auf einer Plattform weitergegeben werden, weil schlicht die Notwenigkeit für die Drittanbieter fehlt.
Gerade im Bereich der Flughäfen und deren Gestaltung der verschiedenen Flughafen-Apps ist ein „Use Case“ orientiertes Scenario entlang der „Customer Journey“ zu empfehlen. Ein durch P3 durchgeführter Benchmark von verschiedenen Flughafen Apps hat gezeigt, dass die Apps viele Einzelfunktionen bieten, jedoch keinen integrierten Ansatz entlang der „Customer Journey“ abbilden. Dadurch sind der Gebrauch und die damit verbundene „Usability“ für den Endkunden sehr kompliziert und nicht intuitiv. Hierbei wurden auch weiterhin viele Defizite im Bereich der Monetarisierung des Endkunden sichtbar. Es bestehen z.B. kaum Kundenbindungsprogramme, womit der Kunde quasi Intransparent ist und keine gezielte Werbung zum Endkunden geschaltet werden kann. In diesem Bereich besteht für Flughäfen noch deutliches Entwicklungspotential zur Steigerung des pro-Kopf Umsatzes.
Das Thema Akzeptanz spielt im Bereich der Customer Journey eine zentrale Rolle. Der Kunde kann ein wichtiger Lieferant von wertvollen Daten sein, weigert er sich jedoch diese Daten freizugeben, so haben Neuerungen keine Chance. Aus diesem Grund ist auch hier das Thema Datenschutz, welches fast immer im gleichen Atemzug mit der Industrie 4.0 genannt wird, auf keinen Fall zu unterschätzen, da es meist um personenbezogene Daten geht. Neben der realen Bedrohung von Datenmissbrauch steigt (zurecht) auch das Misstrauen der Endnutzer, wodurch sich eine Antihaltung gegenüber dem Industrie 4.0 Plattformgedanken entwickeln kann. Es zeigt sich zudem, dass die Erlaubnis der Kunden zur Nutzung der persönlichen Daten durch die Anbieter, sich nochmals stark von der Erlaubnis der Weitergabe dieser Daten an Dritte unterscheidet. Die Weitergabe wird deutlich kritischer gesehen, ist aber für viele Innovationen der Industrie 4.0 essentiell. Die Steuerung dieser Debatte kann als besondere Aufgabe der Politik verstanden werden, da die Politik die Möglichkeit hat, zwischen den Sorgen der Passagiere und den Interessen der Betreiber zu vermitteln.