Gesetze und Rechtsprechung haben die Plattformisierung frühzeitig gefördert. Schon 1997 wurde in Deutschland Gesetze verabschiedet, die den Anbieter eines „Tele- oder Mediendienstes“ von der Haftung für „fremde Inhalte“ freistellte, solange der Anbieter keine Kenntnis von Rechtsverstößen hat. In den USA wurden ähnliche Regelungen eingeführt unter dem Schlagwort „Notice and Take Down“. Die Bereitstellung von Speicherplatz für „fremde Inhalte“ sollte nicht zu erdrückenden Haftungsrisiken führen. Erst wenn einem Anbieter Rechtsverletzungen bekannt waren („notice“), sollte er handlungspflichtig werden („take down“).
Die Netzwirtschaft braucht einheitliche wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen. Um solche Rahmenbedingungen zu schaffen, gab es seit 1997 das Teledienstegesetz (TDG)[1] und den Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV)[2]. Zur Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie[3] wurden das TDG[4] und der MDStV[5] Ende 2001 grundlegend reformiert[6]. Seit dem 01.03.2007 ist das Telemediengesetz (TMG) in Kraft[7]. Durch das TMG sind die Bestimmungen für Tele- und Mediendienste zusammengefasst worden[8].
Allen Haftungsgesetzen ging es darum, für die Diensteanbieter im Netz Rechtssicherheit zu schaffen durch Haftungsbestimmungen, die die Verantwortlichkeit für Rechtsverstöße Dritter einschränken. Provider und andere Diensteanbieter sollten Gewissheit darüber erlangen, welchen Kontroll- und Handlungspflichten sie unterliegen im Hinblick auf Inhalte, die Dritte ins Netz stellen[9].
Mit der E-Commerce-Richtlinie wurde das – leicht modifizierte – „Notice and Take Down“-Prinzip 2001 europaweit eingeführt. Man war sich weitgehend einig, dass es zur Förderung von Innovationen im Netz notwendig war, Rechtssicherheit zu schaffen und Haftungserleichterungen einzuführen.
Bei den frühen Haftungsprivilegien dachte man vorwiegend an Zugangsprovider, die von jeglicher Haftung freigestellt wurden, und an Host-Provider, für die das „Notice and Take Down“-Prinzip galt. Als mit Ebay zum ersten Mal eine große Verkaufsplattform entstand, verlagerten sich Haftungsfragen zunehmend auf diese Plattformen.
In der Rechtsprechung und unter Fachjuristen bestand rasch Einigkeit, dass für Plattformen wie Ebay dieselben Haftungsprivilegien gelten sollten wie für Host-Provider. Der Wortlaut der Normen ließ einen solchen Schluss zu. Wie beim Host-Provider ging es auch bei Ebay um die Frage, ob und inwieweit Ebay für „fremde Inhalte“ bzw. „fremde Informationen“ haftet, die auf der Plattform „gespeichert“ sind.
- 10 Telemediengesetz (TMG) ist auf den „klassischen“ Host-Provider zugeschnitten, dessen Geschäft darin liegt, Speicherplatz für die Websites seiner Kunden bereitzuhalten. Allerdings ist § 10 TMG auch auf andere Diensteanbieter anwendbar, die fremde Informationen speichern und verbreiten. § 10 TMG gilt für Auktionsplattformen[10] und andere Internetplattformen ebenso wie für Blogs[11], Internetforen[12] und Social Networks[13].
Nach § 10 Satz 1 TMG sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, wenn sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben (Nr. 1) oder wenn sie unverzüglich tätig werden, um diese Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben (Nr. 2). Nr. 2 hat eigenständige Bedeutung nur ab Kenntniserlangung durch den Anbieter[14] und gibt ihm die Möglichkeit, den Zugang zu Informationen zu sperren, um eine Haftung zu vermeiden[15].
[1] Gesetz über die Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz – TDG) vom 22.7.1997, BGBl. I 1997, S. 1870.
[2] Staatsvertrag über Mediendienste (Mediendienste-Staatsvertrag – MDStV) vom 2.6.1997, GVBl Berlin 1997, S. 360.
[3] Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. EG L 178 vom 17.7.2000, S. 1.
[4] Art. 1 des Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG) vom 14.12.2001, BGBl. I 2001, S. 3721.
[5] Art. 3 des 6. Staatsvertrages zur Änderung des Rundfunkstaatsvertrages, des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages und des Mediendienste-Staatsvertrages (6. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 20.12.2001, GVBl. Berlin 2002, S. 162.
[6] Vgl. Bröhl, MMR 2001, 67 ff.; Härting, CR 2001, 271 ff.; Härting, DB 2001, 80 ff.; Nickels, CR 2002, 302 ff.; Spindler, ZRP 2001, 203 ff.
[7] Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Elektronischer-Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetzes vom 1.3.2007, BGBl. I 2007, S. 251.
[8] Vgl. Bender/Kahlen, MMR 2006, 590, 590 ff; Engels/Jürgens/Fritsche, K&R 2007, 57, 57 ff.; Hoeren, NJW 2007, 801 ff.; Rössel, ITRB 2007, 158 ff.; Schmitz, K&R 2007, 135 ff.; Spindler, CR 2007, 239, 240 ff.
[9] Vgl. Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, Rdnr. 756 ff.; Bender/Kahlen, MMR 2006, 590, 592 f.
[10] Vgl. Koch, Internet-Recht, S. 608; Freytag in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil D Rdnr. 123; Strömer, Online-Recht, S. 283 f.; Lehmann/Rein, CR 2008, 97, 98; EuGH vom 12.7.2011, C-324/09, Rdnr. 107 ff.; BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 764 ff. mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 669 f. = K&R 2004, 486, 488 f. – Internet-Versteigerung; BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 759 = CR 2007, 728, 729 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 518 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay.
[11] Vgl. Redeker, IT-Recht, Rdnr. 1106; Koch, ITRB 2006, 260, 261 f.; LG Hamburg vom 4.12.2007, MMR 2008, 265 f.; AG Mitte vom 20.10.2004, MMR 2005, 639, 640.
[12] Vgl. Strömer, Online-Recht, S. 284 ff.; Schmitz/Laun, MMR 2005, 208, 209 ff.; Sobola/Kohl, CR 2005, 443, 444; Stadler, K&R 2006, 253 ff.; BGH vom 27.3.2007, NJW 2007, 2558 f. = CR 2007, 586 f. mit Anm. Schuppert = K&R 2007, 396 f. mit Anm. Volkmann; OLG Düsseldorf vom 7.6.2006, CR 2006, 682 ff.; OLG Hamburg vom 22.8.2006, CR 2007, 44 ff.
[13] Vgl. Fülbier, CR 2007, 515 ff; Wimmers/Schulz, CR 2008, 170, 175.
[14] Vgl. LG Berlin vom 25.2.2003, MMR 2004, 195, 197; LG Potsdam vom 10.10.2002, CR 2003, 217, 219 = MMR 2002, 829, 831 = ITRB 2003, 6 (Häuser).
[15] Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/6098, S. 25; Alpert, CR 2001, 604, 610; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004; WRP 2004, 631, 634.