Kompendium Digitale Standortpolitik, Band 1 (Juni 2013)
Kapitel 1: Digitalisierung von Infrastrukturen
Die Digitalisierung von Infrastrukturen ist eine der wichtigsten politischen Herausforderungen der Gegenwart – denn sie ist die Grundlage, um Klimawandel, demografischen Wandel und Urbanisierung zu meistern. Diese Digitalisierung wird nicht „von alleine“ stattfinden: Infrastrukturen sind komplexe Systeme verschiedenster Stakeholder, eng verbunden mit dem staatlichen Auftrag der Daseinsvorsorge und nicht durch freie, innovations- orientierte Marktkräfte bestimmt.
Die folgenden Kapitel stellen die Herausforderungen der Digitalisierung von Infrastrukturen vor. Kapitel 1.1 stellt die fünf intelligenten Netze – e-Health, e-Government, e-Mobility, e-Energy und e-Learning – nebeneinander und definiert die Grundzüge einer „Neuen Infrastrukturpolitik“. Die Kapitel 1.1 bis 1.4 beschäftigen sich tiefergehend mit intelligenten Netzen. Deutlich wird: Die Digitalisierung der Infrastrukturen wird nur gelingen, wenn der Staat seine Rolle als „Change Agent“ wahrnimmt und Innovationsanreize in den (teil-) regulierten Infrastrukturmärkten setzt. Lässt sich diese Rollenbeschreibung sinnvoll in die alte, ordnungspolitische Dichotomie „Markt vs. Staat“ einordnen? Nein! Hier ist eine konzeptionelle Weiterentwicklung unserer wirtschaftspolitischen Paradigmen dringend notwendig.
Kapitel 2: Digitalisierung von Wertschöpfungsketten
Die Digitalisierung von Wertschöpfungsketten ist für die Politik ein neues Thema – geht es hier doch um die Frage, wie Unternehmen untereinander kommunizieren und wirtschaften. Wo bleibt da die Rolle für die Politik? Die vorliegenden Artikel erarbeiten diese politische Agenda der „vierten industriellen Revolution“. Deutlich wird: Der Standort Deutschland hat das Potenzial, diese Entwicklungsstufe der Digitalisierung maßgeblich zu prägen und so Wertschöpfung langfristig in Deutschland zu halten. Dies wird aber nur gelingen, wenn wir die Schwierigkeiten der Startphase überwinden: Standards, Normen, Vertrauen in neue Technologien. Hier kann der Staat eine wichtige Rolle spielen und insbesondere bei der Einbindung des Mittelstandes mithelfen. Außerdem trägt er eine direkte Verantwortung für die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen wie Fachkräfte- und Arbeitsrecht, die an die neuen Wertschöpfungsstrukturen angepasst werden müssen.
Die Kapitel 2.1 und 2.2 führen in das Thema ein und geben einen Überblick zur Genese von „Industrie 4.0“. Wolfgang Dorst vertieft die politische Agenda in Kapitel 2.3 Eine konkrete Perspektive zur Etablierung einer sicheren digitalen Infrastruktur entwirft Johannes Diemer auf Grundlage der Ergebnisse des Forschungsprojektes „Virtual Fort Knox“ in Kapitel 2.4.
Kapitel 3: Digitalisierung von Lebenswelten
Social Networks, Leistungsschutzrecht, Privatkopie – über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Art und Weise, wie wir Freunde treffen, einkaufen, an Kultur und gesellschaftlichen Diskursen teilhaben, ist in den letzten Jahren viel diskutiert worden. Allerdings hat man den Eindruck, dass die grundlegenden Fragen der politischen Gestaltung oftmals im Klein-Klein der hitzig geführten Debatte untergehen. Der Politik kommen bei der Digitalisierung der Lebenswelten zwei Kernaufgaben zu:
Erstens die Verständigung auf grundlegende gesellschaftliche Werte zur Art und Weise, wie wir in den durch die Digitalisierung neu ergebenden Räumen mit einander umgehen. Diese Verständigung auf gesellschaftliche Werte gelingt am besten, wenn sie den Fehler der „Bilderstürmerei“ vermeidet: Nicht das Medium (in diesem Falle digitale Plattformen) ist das Kernthema, sondern die Frage, wie wir Werte leben.
Zweitens die Etablierung eines Rechtssystems, das Gestaltungsräume für die Zukunft schafft. Selbstverwirklichung und innovatives Handeln bedürfen eines verlässlichen Rechtsrahmens. Die Politik steht vor der Herausforderung, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der die hohe Dynamik in diesem Feld nicht behindert, sondern fördert.
Kapitel 4: Digitale Grundsatzpolitik
Digitale Grundsatzpolitik beschäftigt sich mit drei Fragen (1) Wie gestalten wir den Zugang zu digitalen Infrastrukturen (2) Wie gelingt der Ausgleich zwischen Nutzern und Rechteinhabern (3) Wie gestalten wir die globale „Governance“ digitaler Infrastrukturen?
Kapitel 4.1 reflektiert, warum eine solche grundsätzliche Herangehensweise und die damit einhergehende Subsumierung von Themen wie Breitbandpolitik, Netzneutralität, Netzsperren oder Universaldienstverpflichtung sinnvoll sind. Die Netzneutralität steht im Zentrum von Kapitel 4.2 – Ben Scott argumentiert, dass die Offenheit ein Paradigma des digitalen Zeitalters ist, auf das wir nicht verzichten können. In Kapitel 4.3 legt Prof. Hoeren in einem Interview dar, inwiefern ein „Grundrecht auf Internet-Zugang“ sinnvoll wäre. Kapitel 4.4 stellt mit dem Konzept der „Privatkopie II“ Wege eines Ausgleichs zwischen Nutzern und Rechteinhabern jenseits der aktuellen Grabenkämpfe vor. Leonhard Dobusch stellt in Kapitel 4.5 Reformansätze vor, die über das Urheberrechtsgesetz hinausgehen. In Kapitel 4.6 argumentiert Ben Scott, dass Europa in der Ausgestaltung der internationalen Internet-Governance eine wichtige Aufgabe als Vermittler zwischen verhärteten Fronten zukommt. Kapitel 4.7 widmet sich schließlich der Frage, welche Teile der grundsatzpolitischen Agenda im internationalen Kontext als „Entwicklungspolitik“ umgesetzt werden sollten.
Kapitel 5: Datenpolitik
Im einleitenden Kapitel 5.1 reflektiert Guido Brinkel den Zusammenhang zwischen Datenpolitik und Innovation. Klar wird: „Datenschutz“ ist kein ausreichendes politisches Programm. Es geht vielmehr darum, die Nutzung von Daten im Interesse des Individuums oder im gesellschaftlichen Interesse zu regulieren. Niko Härting stellt diesen Zusammenhang in Kapitel 5.2 ausführlicher dar. Björn Bloching, Lars Duck und Thomas Ramge umschreiben die Eckpunkte einer fairen Datennutzung als Erfolgskriterium für wirtschaftliches Handeln in Kapitel 5.3.
Welche Rolle die Ko-Regulierung in diesem Kontext spielen kann, beschäftigt Patrick von Braunmühl in Kapitel 5.4. Konkrete Vorschläge hierzu erarbeitet Susanne Dehmel (Kapitel 5.5). Kapitel 5.6 befasst sich schließlich mit der Zukunft der Datennutzung und den grundlegenden gesellschaftspolitischen Fragestellungen, die es zu klären gilt. Sandro Gaycken entwickelt in Kapitel 5.7 eine Landkarte für die Politik zur Navigation in der Cybersicherheitsdebatte.
Kapitel 6: Innovations- und Fachkräftepolitik
„Innovationspolitik“ ist als Politikfeld extrem populär – und gleichzeitig sehr unscharf bis hin zur Beliebigkeit. Die Debatte schwankt zwischen der Faszination für das Silicon Valley als Erfolgsmodell für kreative, schnell wachsende Firmen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite werden immer wieder Forderungen laut, die eine starke Involvierung des Staates nach dem Vorbild Chinas beinhalten.
Kapitel 6.1 versucht, die Innovationsdynamik der digitalen Revolution konzeptionell zu beschreiben und daraus eine politische Agenda abzuleiten. Dabei spielt das in der Einleitung vorgestellte 3×3-Modell eine zentrale Rolle, um von einem „Stuck in the Middle“ zu einer strategischen, dritten Position zwischen Silicon Valley und Shanghai zu gelangen. August-Wilhelm Scheer plädiert für eine stärker „Outcome“-orientierte Innovationspolitik (Kapitel 6.2). Kapitel 6.3 plädiert für mehr Effizienz im „dritten Sektor“.